Freitag, 27. April 2012
Richtigstellungen zur sog. Hexenverfolgung
Als Konvertit von der evangelischen zur katholischen Kirche werde ich manchesmal gefragt, wie ich denn einer Kirche freiwillig angehören kann, die Millionen von Frauen als Hexen verbrannte.

Meine Entgegnung ist stets, dass diese schwarze Legende antikirchlicher Kreise eben nicht der Wahrheit entspricht und gerade als ehemaliger Protestant kann ich dann nicht umhin zu betonen, dass gerade in evangelischen Gebieten die Hexenverfolgung am stärksten war, obwohl auch dort keine Millionen Frauen zu Tode kamen.

Selbstverständlich finde ich, dass schon ein Todes- bzw. Folteropfer genau ein Todes- bzw. Folteropfer zu viel ist, dennoch müssen die historischen Tatsachen richtig gestellt werden.

Zum Thema Hexenverfolgung habe ich heute auf kath.net einen Artikel gefunden, der sich mit meinen Erkenntnissen zu dem Thema deckt und den ich daher hier verlinke.

Daraus:

Die Opfer. Es waren nicht „8 oder 9 Millionen Opfer“, wie die NS-Propaganda vermutete, sondern – nach derzeitigem Forschungsstand – etwa 50.000. In 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Die Christenverfolgung führt übrigens jedes Jahr zu mehr als doppelt so vielen Opfern.

Die Täter. Rund die Hälfte der 50.000 Opfer lebte auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wenn man davon ausgeht (und davon darf man aufgrund der Quellenlage wohl ausgehen), dass die Opfer zahlenmäßig zwischen protestantischen und katholischen Gebieten des Reichs ungleich verteilt waren – zu Lasten der protestantischen Gebiete –, dann hat die Katholische Kirche die Verantwortung für etwa 10.000 Todesopfer.

Interessant ist auch der Zusammenhang von Inquisition und Hexenverbrennungen: Nur an einigen hundert der über drei Millionen Hexenprozesse (Schuldspruchquote: 1,5 Prozent) war die Inquisition beteiligt. Die Hexenprozesse fanden in der Tat vor weltlichen Gerichten statt. Die Inquisition interessierte sich nämlich hauptsächlich für Ketzer, nicht für Hexen. Im katholischen Spanien hat es keine Hexenverfolgung gegeben – wegen der Inquisition. Auch in Italien sorgte die Inquisition dafür, dass so gut wie keine Hexe verbrannt wurde. In Rom – dem vermeintlichen Zentrum des Grauens – wurde nie eine Hexe oder ein Zauberer verbrannt. Die Katholische Kirche hat die Hexenverfolgung niemals offiziell bejaht.

„Ja, aber der ,Hexenhammer’!“ Oft wir unterschlagen, wie es eigentlich zu dem berüchtigten „Hexenhammer“ (Malleus Maleficarum, 1486) kam. Heinrich Kramer (Institoris) schrieb ihn, weil er in Innsbruck erfolglos einen Hexenprozess angestrengt und kurz darauf des Landes verwiesen wurde. Von wem? Vom Bischof Georg Golser. Der „Hexenhammer“ ist eine Reaktion darauf gewesen. Die Bulle, auf die sich Kramer in Innsbruck berief, Summis desiderantes affectibus (1484), enthielt im Übrigen die Aufforderung, verdächtige Personen ernsthaft zu prüfen und bei bestätigendem Ergebnis zurechtzuweisen, zu inhaftieren und zu bestrafen – nicht aber, sie zu verbrennen. In der Praxis hat das den Hexenwahn eher gemindert als befördert. Kirchenrechtlich hat die „Hexenbulle“ übrigens nie Bedeutung erlangt, maßgebend war immer der Canon episcopi, der Hexenglaube als Einbildung ablehnte und bis zur Kirchenrechtsreform von 1918 im maßgeblichen CIC enthalten war; „Summis desiderantes affectibus“ taucht dagegen in keinem Verzeichnis auf. Wie gesagt: Die Katholische Kirche war gegen die Hexenverfolgung – im Gegensatz zu Luther und Calvin. Martin Luther war ein Verfechter der Hexenverfolgung, denn er war überzeugt von der Möglichkeit des Teufelspaktes und des Schadenszaubers. In einer Predigt vom 6. Mai 1526 sagte er über Hexen und Zauberer: „Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.“ – Fairerweise muss man aber sagen, dass sowohl katholische wie auch protestantische Theologen gegen den Hexenwahn angekämpft haben. Neben Jesuiten wie Spee und Laymann etwa Johann Weyer (Konfessionszugehörigkeit umstritten, wahrscheinlich Konvertit) und der reformierte Anton Praetorius.

Das Ende. Interessant ist auch, wie der Hexenwahn – in Europa! – sein Ende fand. Noch einmal Schröder: „Durch die Aufklärung, sagt man. Das stimmt so nicht. Er kam nämlich schon im 17. Jahrhundert weithin zum Erliegen.“ Es gab nämlich massiven Widerstand. „Die Gegner waren Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden.“ Einer davon war der schon erwähnte Friedrich Spee von Langenfeld. 1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis („Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“), die nur wenige Woche nach Erscheinen vergriffen ist. In diesem Buch entlarvt er die Hexenprozesse als Farce und die Vollstreckung der Urteile als Mord. Im Zentrum der Kritik steht die Anwendung der Folter, die damals zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich („Kein deutscher Edelmann würde ertragen können, daß man seinen Jagdhund so zerfleischte. Wer soll es da mit ansehen können, daß ein Mensch so vielmals zerrissen wird?“), doch zunächst für juristisch untauglich, weil sie in der Rechtspraxis zur fehlerhaften Beweisaufnahme führe. Friedrich von Spee war übrigens katholisch.

Interessant in dem Zusammenhang, dass offenbar erst 1975 durch die Arbeiten von Norman Cohn und Richard Kieckhefer geklärt wurde, dass die von Etienne Leon de Lamothe-Langon in seiner Histoire de l’Inquisition en France (1829) beschriebenen Massenprozesse und -hinrichtungen im Zuge der Hexenverfolgung im Frankreich des 14.[sic!] Jahrhunderts frei erfunden waren, wie die Mediävistin Jenny Gibbons in einem interessanten Artikel darlegt.

Nachdem die Forschungskommunität anderthalb Jahrhunderte lang keinen Anstoß daran nahm, dass der Verfasser der „Inquisitionsgeschichte in Frankreich“ keine Belege für seine Behauptungen anführt und keine Quellen nennt, ist nun deutlich herausgearbeitet worden, dass man für weitreichende Behauptungen, wie etwa die, dass an einem einzigen Tag 400 Hexen ermordet worden seien, Behauptungen anführen und Quellen nennen sollte. Diese Klärung erfolgte erst, als die Fiktion de Lamothe-Langons längst in der Geschichtsschreibung tradiert war und infolgedessen als unumstößliches Faktum die Stammtische erobert hatte. Wir erinnern uns: Geschichtsbilder werden gemacht.

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