Freitag, 17. Oktober 2008
Universum ohne Urknall
Vor einiger Zeit las ich von dem theoretischen Physiker Alexander F. Mayer eine Vorversion seiner Theorie über die Geometrie der Zeit. Nun hat er seine Arbeit vollendet und man kann von seiner Seite ein Preprint seines Buches herunterladen:

Geometry of Time

Kurz gesagt: Er stellt ein Universum ohne Urknall vor, dass sich mit den heutigen Beobachtungen seiner Meinung nach hervorragend deckt. Anhand bestimmter Ungereimtheiten zeigt er auf, dass wir mit mehr als einer Zeitrichtung alle Phänomene erklären können.

Alexander F. Mayer benötigt dazu keine Zusatzdimensionen wie die Stringtheorie, auch habe ich noch nicht gesehen, wie er die Möglichkeit einer Supersymmetrie auslotet. Dennoch möchte ich, obwohl ich SUSY und Zusatzdimensionen für eine Realität halte, diesen neuen Ansatz als Alternative hier publik machen. Alexander F. Mayer ist kein Leichtgewicht, wenn er auch freimütig zugibt, dass es ihm nicht gelungen ist, seinen Ansatz auf ArxiV.org unterzubringen, denn es passt nicht in den Mainstream. Naja, seis drum.

Hier der Link von Mayers Homepage:

http://jaypritzker.org/

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Ich habe mir die 153 Seiten des Alexander F. Mayer heruntergeladen, kaum gelesen und schon heute ein Bild um 90 Grad gedreht von einem anderen Physiker Martin Bojowald in der Frankfurter Rundschau gefunden. Was wollen die beiden und andere uns sagen? Daß es vor dem Urknall etwas gegeben habe? Welche Probleme werden damit gelöst? Ist ein sich ewig existierender Kosmos leichter vorstellbar als der Urknall? Kommen wir damit der Antwort auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, einen Schritt näher? Oder werden Sinnfragen abermals auf weit entfernte Zeiten, unzugängliche Universen, höhere Mächte oder gar Augustinus verschoben?

Wenn der Raum sich in unseren Breiten nach Osten und Westen ausdehnt und die Zeit von Norden nach Süden fließt, dann bin ich wie wir alle in dieser Raumzeit (Erdoberfläche) ein sehr kurzer, aber noch viel, viel dünnerer Eisendraht im Magnetfeld unserer Erde, der sich leicht vorstellen kann, daß die Welt nicht am Nordpol ihren Ursprung nahm, sondern dort im Grundsatz so ist wie überall. Und so zitiert die Frankfurter Rundschau auch Stephen Hawking: "Zu fragen, was war vor dem Beginn des Universums, ist so sinnlos wie die Frage: Was ist nördlich vom Nordpol?"

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Realitätsbeschreibung
Bevor man nach einem Sinn fragt, muss erst einmal die Realitätsfrage gestellt werden: Wie dicht sind bestehende Modelle an den realen Verhältnissen dran? Beschreiben sie zuverlässig die Verhältnisse.

Mayers Ausarbeitungen legen ein Gegenmodell zum Urknall vor. Er zeigt, dass die gemachten Beobachtungen nicht zwangsläufig auf ein wie auch immer geartetes Urknallszenario führen müssen.

Das führt dann, nach seinen Berechnungen auf ein ewiges Universum.

Zum Sinn: Ein scheinbar ewiges Universum widerspricht natürlich nicht per se einer Schöpfung, und damit einem Existenzbeginn. Wenn man bedenkt, dass die Zeit selbst geschaffen ist, dann kann man nicht nur davon ausgehen, dass ein Universum mit unendlicher Ausdehnung geschaffen wurde, sondern auch mit unendlicher zeitlicher Ausdehnung nach allen Richtungen. Der Schöpfungszeitpunkt wäre für uns als Bewohner dieses Universums nicht nachvollziehbar. Gottes Schöpfungshandeln wäre auf einer Zeitachse nirgends eingrenzbar.

Persönlich verfolge ich eine andere Richtung, wollte aber auch diese durch Mayer vorgebrachte Alternative nicht unterschlagen. Sie ist für mich das durchdachteste Nicht-Urknall-Modell.

Zu Hawking: Naja, er ändert seine Meinung, wie manche Leute ihre Kleidung. Jedenfalls halte ich seinen Spruch, wie soviele seiner Schnellschüsse - Ausnahme ist die Hawkingstrahlung schwarzer Löcher - für unausgereift. Natürlich gibt es auf der Erde nichts nördlicher als der Norpol, jedoch gibt es dennoch mehr als nur die Erde. Ein Multiversum-Modell, dass dann auch eine Ursache für einen möglichen Urknall kennt, ist nur eine Erweiterung der Erkenntnis, dass es noch mehr Planeten im Sonnensystem, noch mehr Sonnensysteme in unserer Galaxis, noch mehr Galaxien als die unsrige gibt usw. Das alles kann das Finetuning nicht außer Kraft setzen und bei genauerer Betrachtung gilt das auch für Multiversenansätze. Das hat schon der hl. Nikolaus Cusanus geahnt.

Nein, die Frage ist eine Frage nach der Wahrheit:

Gab es wirklich einen Urknall? Ja oder nein?
Sind wir Teil eines Multiversums oder gibt es wirklich nur dieses Universum?

Könnte man die entsprechenden Antworten auch empirisch plausibel machen?

Klar, könnte man. Im Gegensatz zu landläufigen Meinungen ist es in der Tat so, dass wenn es ein Multiversum gibt, dann wird auch durch dieses Einfluss auf unser Teil-Universum ausgeübt, und das ist dann wie Phänomene von "dunkler Energie" etc. zu beobachten (siehe zum Beispiel M-Theorie).

Oder aber es ist zu zeigen, dass die beobachteten Phänomene eher Projektionsphänomene sind, die durch unabhängige Zeitrichtungen zustande kommen, auch dass kann man dann messen (z.B. A. F. Mayer).

Die Sinnfrage kommt danach. Man kann jeder Realität, so sie eben real ist, stets einen Sinn absprechen oder aber aus Theologie oder/und Philosophie einen Sinn zusprechen. Aber das ist dann eben eine Frage der Grundüberzeugung bzw. des Glaubens. Alexander F. Mayer spricht das am Ende seines Buches auch an, wobei er nicht die Position eines Gläubigen einnimmt. Dennoch könnte sein Modell - kleine Erweiterung der Einsteinschen Äquivalenzgleichung - der Realität entsprechen.

Wie gesagt: Persönlich präferiere ich Zusatzdimensionen und Multiversen. Das nur zur Klarstellung (siehe auch http://designale.blogger.de/stories/690175/ ).

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Wie dicht ein Modell an der Realität ist, kann allenfalls dann festgestellt werden, wenn man beides einigermaßen gut kennt, zum Beispiel echte Schiffe im Meer und Holzboote im Planschbecken.

Stephen Hawking wird natürlich überschätzt, doch mit dem Nordpol hat er insofern recht, als man zumindest kurz in Erwägung ziehen sollte, daß es vor dem Urknall nichts gegeben haben könnte, auch keine Zeit, weshalb seine Antwort auf die Frage nach dem, was zuvor war, keine dumme Ausrede ist.

Was den Raum betrifft, so haben wir uns an das Bild eines endlichen Gebildes ohne Rand gewöhnen können, warum nicht auch bei der Raumzeit. Dann gibt es möglicherweise keinen Anfang. Und wenn man von der zeitlichen Existenz der Zeit sprechen will, dann muß man schon genau sein. Nicht umsonst unterschieden die Griechen Zeit und Ewigkeit. So kann der Kosmos auch mit Urknall ewig sein.

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Kann sein...
Klar, kann das alles so sein, wie sie sagen. Natürlich kann man sich an vieles gewöhnen. Aber irgendwann waren auch die Dinge, an denen wir uns nun gewöhnt haben, ganz neu und zuvor gar "undenkbar".

Gerade weil wir viel zu wenig wissen, sind mir auch Spekulationen über Alternativmodelle - in welche Richtung sie auch gehen mögen - sehr wichtig, um den Blick nicht zu verengen. Deswegen bemühe ich mich auch, meine Linkliste sehr breit zu fassen, obwohl ich bei weitem nicht alles teile, was dort zur Diskussion gestellt wird.

Dennoch: Je besser eine Spekulation begründet werden kann, desto interessanter wird sie.

Mit GLAST und dem LHC werden wir einige Spekulationen, Hypothesen, ja sogar anerkannte Theorien aussortieren können, andere werden neu hinzukommen etc.

Gibt es eigentlich im übertragenen Sinne auch eine Art LHC für die Geisteswissenschaften?

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Der LHC der Geisteswissenschaft könnte das philosophische Quartett sein, wenn es sich endlich einmal mit der Ethik des Bohrens schwarzer Löcher befaßte.

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