Donnerstag, 1. September 2011
Stern falsifiziert Sternentstehungstheorie
Eine Entdeckung eines 13 Mrd. Lichtjahre entfernten Sterns widerspricht den bisherigen Sternentstehungstheorien, wie astronews.com berichtet: hier.

Der extrem lichtschwache Stern im Sternbild Löwe trägt den sperrigen Namen SDSS J102915+172927. Er wurde im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS), einem internationalen Projekt zur Durchmusterung bestimmter Bereiche des Himmels mit Hilfe von Spektrallinien, katalogisiert. Die Ziffern in seiner Bezeichnung entsprechen seinen Koordinaten am Himmel. Der Stern hat eine etwas geringere Masse als die Sonne und ist vermutlich mehr als 13 Milliarden Jahre alt.

Nach den Beobachtungen des europäischen Wissenschaftlerteams beinhaltet SDSS J102915+172927 im Vergleich zu allen bislang untersuchten Sternen den geringsten Anteil an chemischen Elementen, die schwerer als Helium sind. Die Eigenschaften des Sterns wurden mit Hilfe der beiden Spektrografen X-Shooter und UVES am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile untersucht. Damit kann das Licht von Himmelskörpern in seine Farbbestandteile zerlegt werden, was den Astronomen etwas über die Häufigkeit verschiedener chemischer Elemente in der Atmosphäre eines Sterns verrät.

Auf diese Weise haben die Forscher herausgefunden, dass der Gehalt von schweren Elementen in SDSS J102915+172927 rund 20.000-mal geringer ist als in der Sonne. Die Wissenschaftler konnten bei der ersten Messung nur ein einziges chemisches Element schwerer als Helium - nämlich Kalzium - nachweisen. Erst mit zusätzlichen Beobachtungen gelang es den Forschern aus Deutschland, Frankreich und Italien, noch weitere Metalle aufzuspüren. "Die allgemein akzeptierte Theorie besagt, dass Sterne wie dieser aufgrund ihrer geringen Masse und des extrem geringen Anteils an schweren Elementen gar nicht existieren sollten. Schon die Gas- und Staubwolken, aus denen ein solcher Stern entsteht, hätten sich nach dem gängigen astronomischen Verständnis gar nicht ausreichend verdichten können", erläutert Caffau, die an der Landessternwarte Königstuhl des ZAH forscht.

"Zum ersten Mal wurde ein Stern in einer 'verbotenen Zone' der Sternentstehung entdeckt. Das war für uns eine große Überraschung. Nun werden die Astrophysiker einige ihrer Modelle für die Entstehung von Sternen überdenken müssen", vermutet die Wissenschaftlerin. Kosmologen gehen davon aus, dass die beiden leichtesten chemischen Elemente Wasserstoff und Helium zusammen mit Spuren von Lithium kurz nach dem Urknall entstanden sind. Nahezu alle anderen, schwereren Elemente sind erst viel später gebildet worden, entweder durch Fusionsprozesse im Inneren von Sternen oder bei Supernova-Explosionen am Ende eines Sternlebens. Nach der Explosion wird das metallreiche Material mit dem interstellaren Medium, der Materie im Raum zwischen den Sternen, vermischt.

Eine weitere Überraschung ist der Mangel an Lithium in SDSS J1072915+172927, denn ein so alter Stern sollte eigentlich in etwa dieselbe Elementzusammensetzung haben wie das Universum kurz nach dem Urknall. Der Lithiumanteil des Sterns ist jedoch fünfzig Mal geringer, als dies die Berechnungen zur kosmologischen Elemententstehung erwarten lassen würden. Für das europäische Forscherteam ist es bislang ein Rätsel, wie das Lithium, das sich zu Beginn des Universums gebildet haben muss, in diesem Stern zerstört wurde.

Die Wissenschaftler sind allerdings überzeugt, dass es sich bei diesem seltsamen Stern nicht um ein Unikat handelt: "Wir haben noch eine ganze Reihe von Kandidaten, die einen ähnlich geringen Metallgehalt haben könnten wie SDSS J102915+172927, vielleicht sogar einen noch geringeren. Deshalb wollen wir diese Sterne ebenfalls mit dem VLT überprüfen", so Caffau. So wollen sich die Astronomen Schritt für Schritt an die allererste Sterngeneration herantasten.

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