Montag, 9. Januar 2012
Teilchenphysik am Wendepunkt
Die ersten Hinweise auf ein Higgs-Boson von 125 GeV/c2 sind - wenn sie sich denn bewahrheiten - viel sensationeller, als es den ersten Anschein hat und es auch in der Weltpresse dargestellt wurde. Wenn sich die Messdaten weiter erhärten, dann würden wir es mit einem Higgs-Boson zu tun haben, dass sich wie ein Standardmodell-Higgs verhält, das es aber bei der Masse von 125 GeV nicht geben dürfte, weil dann die Massen anderer elementarer Partikel wie Protonen viel größer sein müssten, als sie gemessen werden.

Hingegen hat schon im August 2011 auf einer Konferenz Gordon Kane aufgezeigt, dass es nach Berechnungen der M-Theorie genau ein solches mit Standard-Eigenschaften und ca. 125 GeV Masse Higgs-Boson geben muss. Es wäre eine echte Vorhersage der M-Theorie, die sieben weitere Raumdimensionen besitzt!

Doch ich brauche das nicht alles selbst wiederholen. In wissenschaft-online.de hat Gordon Kane selbst das Wort (eine Übersetzung aud einem Nature-Artikel)
hier.

Daraus:

Einen gewichtigen und unerwarteten Hinweis, wo die Reise hinführen könnte, liefert ausgerechnet die Beobachtung, dass sich das Higgs-Teilchen in den Daten wie ein "Standardmodell-Higgs" verhält. Das aber sollte im Rahmen des Standardmodells eigentlich überhaupt nicht möglich sein.

Gemäß der relativistischen Quantenfeldtheorie sind für die Higgs-Masse erhebliche Quantenkorrekturen notwendig, die seine Masse selbst um ein Vielfaches übersteigen. Weil nun die Massen grundlegender Teilchen wie Quarks, Leptonen oder W- und Z-Bosonen ihrerseits von der Masse des Higgs-Teilchens abhängen, würde ihnen das Standardmodell Massen zuschreiben, die um Größenordnungen über dem liegen, was Wissenschaftler seit Jahren messen.

Ein gewichtiges Problem, das sich jedoch umgehen lässt: Erweitert man das Standardmodell in Richtung Supersymmetrie, wandeln sich auch die Eigenschaften des vorhergesagten Higgs-Bosons. Sein Verhalten in den Gleichungen ändert sich, und die Theorie deckt sich wieder mit der Erfahrung.

In der Physik hat man lange vermutet, dass sich das Higgs in genau dieser supersymmetrischen Form zeigen würde. Warum aber finden wir nun Hinweise auf dessen eigentlich unmögliche Standardmodellvariante? Die Lösung dieses Rätsels könnte uns einen großen Schritt näher an die zugrundeliegende Theorie führen, die eines Tages das Standardmodell erweitern wird.

Ein Erklärungsansatz etwa kommt aus ganz unerwarteter Richtung: der Stringtheorie oder ihrer Erweiterung, der M-Theorie. Anders als viele glauben, lassen sich doch konkrete Vorhersagen über die Welt aus der Stringtheorie ableiten, sofern man die 10- oder 11-dimensionale Theorie zunächst auf vier Dimensionen "kompaktifiziert" – die übrigen sechs oder sieben werden dabei auf engstem Raum zusammengerollt. In den letzten Jahren hat es beträchtliche Fortschritte bei diesem Unterfangen gegeben; auch die Felder, mit denen sich die zusammengerollten Dimensionen beschreiben lassen, können immer besser stabilisiert werden.

Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich die allgemeinere Stringtheorie und die M-Theorie in einer Form untersucht, die mit den Erkenntnissen der Kosmologie im Einklang steht und den Mechanismus enthält, mit dem Higgs-Teilchen Masse erzeugen. Dabei konnten wir zeigen, dass sich das leichteste Higgs-Boson sehr ähnlich dem Standardmodell-Higgs verhält. Und mehr noch: Es hat eine Masse von rund 125 GeV – exakt so viel, wie am Cern beobachtet.

Die Resultate unserer Berechnungen haben wir vergangenen August auf der internationalen String Phenomenology Conference in Madison, US-Bundesstaat Wisconsin, erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.

Laut derselben Stringtheorie – genauer gesagt handelt es sich um die M-Theorie –, die die Higgs-Masse korrekt vorhergesagt hatte, ist zu erwarten, dass demnächst eine ganze Anzahl von supersymmetrischen Partnerteilchen am LHC entdeckt werden. Nach solchen Partikeln, zu denen beispielsweise die Gluinos – die Superpartner der Gluonen, die die starke Kernkraft übertragen – zählen, ist allerdings bislang in den Beschleunigerdaten noch gar nicht gesucht worden. Auch hier gäbe die Stringtheorie Anhaltspunkte, anhand welcher Zerfallsprodukte sich die Teilchen verraten müssten: Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Top- und Bottomquarks.


Man darf also gespannt sein!

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